Skip to main content

Auf dem Weg des grossen Erwachsens, Über die Bewusstwerdung des Menschen


Dieser Artikel handelt von der Bewusstwerdung des Menschen, dem Weg des grossen Erwachens. Eine tiefe Sehnsucht und geheime Kraft zieht uns im Leben stetig hin zu einem Zentrum, um das das Leben kreist. Vor dem Hintergrund der Ich-Struktur des Menschen zeige ich Veränderungen im Bewusstsein des Menschen auf dem Weg der Individuation und Ich-Werdung. Dabei werden psychologisch rationale Ansätze mit mystisch-esoterischem und östlichem Gedankengut zusammengeführt.

Philosophen wie Jean GebserClare W. Graves und verschiedene Ansätze zusammenfassend Ken Wilber haben den Prozess der Bewusstseinsentwicklung des Menschen erforscht und beschrieben (vgl. Spiral Dynamics). Dabei haben sie einen historischen Fokus und beschreiben Entwicklungsstufen in der Menschheitsgeschichte. In diesem Artikel soll es in Ergänzung dazu darum gehen, eher auf innere Entwicklungen und Veränderungen der Bewusstseinsstruktur des  Menschen zu fokussieren und psychologische Veränderungen zu beschreiben. 

Der Beginn der Reise der Selbstentfaltung

Unser Leben ist ständig in Bewegung. Vom ersten Moment der embryonalen Zellteilung ist Wachstum ein Wegbegleiter des Menschen. Wir wachsen aber nicht nur im physischen, sondern auch im psychischen Bereich. In uns spüren wir treibende Kräfte und Sehnsüchte, die uns kaum ruhen lassen und uns in immer neue Lernfelder und Lebenssituationen führen, wo wir für uns wichtige Erfahrungen und Lernschritte machen. 

Treiber dieser Entfaltungskräfte sind Bedürfnisse, in einem tieferen Sinne aber auch Lebensvisionen. Die Vision, so wie wir sie verstehen, ist aber nicht etwa als materialistische Triebfeder zu verstehen nach dem Motto: «Wie werde ich reich?» Gerade aus dem amerikanischen Kulturkries kennen wir Denkansätze wie Positives Denken und das Gesetz der Anziehung (Law of Attraction), die als eine Art esoterischer Materialismus verstanden werden können. Vielmehr geht es bei der Vision um eine Sehnsucht nach Ganzwerdung und Heil-Sein. Die Vision oder der innere Ruf zielen hin auf die Entfaltung des eigenen Seins, auf eine Vision meiner Selbst als Entwicklungsziel. Es geht um ein  Ideal-Selbst, wie es der humanistische Psychologe Carl Rogers beschrieben hat. Gerade in der Schule der Humanistischen Psychologie geht es ganz zentral um Bedürfnisse als innere Treiber für eine Persönlichkeitsentwicklung. 

Bedürfnisse und Persönlichkeits-Anteile

Bedürfnisse sind das Motiv nach Suchbewegungen und Entwicklungen. Dabei können wir unterscheiden zwischen Grundbedürfnissen (etwa Luft, Wasser, Schlaf) oder Luxusbedürfnissen. Der humanistische Psychologe Abraham Maslow hat sich eingehend mit Bedürfnissen als handlungsleitende Kräfte beschäftigt. Ein schwieriges und aus meiner Sicht zu wenig diskutiertes Thema ist aber, dass es gesunde, lebensfördernde, aber eben auch krankhafte, lebenszerstörende Bedürfnisse (z.B. Sucht) gibt. Sie erleben wir mit zunehmender Bewusstwerdung als Hindernis-Faktoren für unser Entwicklung und sie sind es auch, die letztlich verantwortlich sind für die sich zuspitzende ökologische und gesellschaftliche Krise auf unserem Planeten. 

Nicht selten haben wir in uns Ambivalenzen, sich entgegengesetzte Bedürfnisse und Wünsche, was sich als innerer Konflikt zeigt. Er wurde bereits von Johann Wolfgang von Goethe im Faust beschrieben: «Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust». Die systemische Sichtweise, dass der Mensch sozusagen nicht aus einem Stück geschnitzt, sondern aus vielen Teilpersönlichkeiten mit zuweilen unterschiedlichen Bedürfnissen zusammengesetzt ist, hat sich heute breit durchgesetzt. Gerade in Entscheidungsprozessen treten diese Seiten unseres Selbstes zutage: Die eine Seite will dies, die andere das. Wir sprechen hier auch vom inneren Team, mit denen in der systemischen Beratung (z.B. Aufstellungen des inneren Teams) oder Ego-State-Therapie gearbeitet wird. Wir alle kennen den inneren Schweinehund, aber vielleicht auch den inneren Kritiker oder Eltern-Ich-Anteile in uns (Transaktionsanalyse von Eric Berne), das innere Kind… Diese unbewussten Seiten in uns sind oft Ursache von Konflikten und Blockaden, etwa Angst-Reaktionen oder Abwehr dessen, was für uns eigentlich gut wäre. 

Die Ich-Struktur des Menschen

Wenn wir Ordnung in diesem Durcheinander von Persönlichkeitsanteilen suchen, können wir zunächst festhalten, dass die Ich-Struktur des Menschen zweigeteilt ist. Es gibt ein Ich als innerer Beobachter (Bewusstsein) und ein Selbst (wie ich es nenne), das vom Ich als «Man-Selbst» wahrgenommen wird. Wenn ich hier sitze und schreibe, beobachtet mein Ich das Tippen auf der Tastatur. Ich spüre meine Hände, meine Füsse, meinen Körper und sehe, was er tut, und all das, der Körper, die Emotionen, die Gedanken wird als Teil von mir selbst, als mir zugehörig empfunden. Das Ich ist wie eine Radnabe der ruhende Pol des Bewusstseins in mir. Was ich von mir selbst wahrnehme ist wechselhaft: Mal bin ich wütend, mal das Opfer, mal konzentriert, mal bewegt, mal treibe ich Sport und mal schlafe ich… 

In der systemischen Literatur wird oft ein Kernselbst beschrieben, was von meinem Selbst als Gesamt-Identität empfunden wird. Wir könnten hier von tieferliegenden Persönlichkeitsstrukturen sprechen wie dem Temperament (Verhaltens-Stil), währenddessen die Ich-Zustände je nach Situation sehr wechselhaft sind. Wir können das bildlich folgendermassen darstellen: 

Ich-Struktur.jpeg

Es stellt sich hier die Frage, wie unbewusste Persönlichkeits-Anteile entstehen und auch wieder vergehen. Es stellt sich auch die Frage, wie sich Persönlichkeits- und Bewusstseins-Entwicklung in dieser Konstellation der Ich-Struktur auswirken und sich verändern im Zusammenhang mit einer Persönlichkeitsentwicklung.  

Das Selbst und Prägungen

Das Selbst wird als prägsames offenes System voller Potenziale in eine Welt geboren, die es durch seine Einzigartigkeit, seine Ressouren und Fähigkeiten bereichern kann. Wer selber achtsam Kinder von Geburt an begleitet hat, spürt, dass jedes Kind seine Eigenarten und von Geburt an Wesenszüge offenbart, die Basis einer heranreifenden Individualität sind. In der Regel findet das heranwachsende Individuum in unserer Gesellschaft wenig Gespür für diese Anlagen (siehe >Persönlichkeitsebenen und das vergessene Wesen des Menschen). Vielmehr wird es schon bei der Geburt vermessen und beurteilt und unterliegt fortan einem zunehmenden gesellschaftlichen Normierungs- und Leistungsdruck. Dies führt zu einer Selbstentfremdung: Bezugspunkt meiner Selbst bin dann nicht mehr ich, sondern meine Bezugsmenschen, die mich mögen, wenn ich dies oder jenes tue. Bildlich kann der Unterschied des Bedürfnis-Bezugspunktes wie folgt dargestellt werden:

Selbstangebunden.jpeg

Diese Entwicklungen führen zu einem Verlust der Selbstanbindung des Menschen und zu einer Fremdanbindung. Diese kulturbedingte Entwicklung oder dieses gesellschaftliche Trauma ist der „Sündenfall des Menschen“ und der Verlust eines paradiesischen Einheitserlebnisses unserer frühen Kindheit. Zudem geschieht mit ca. 3 Jahren ein weiteres einschneidendes Erlebnis: Von dem Moment an, wo das Kind zu sich „Ich“ sagt, beginnt die zunehmende Identifikation mit dem eigenen Selbst und das Erlebnis einer tiefgreifenden Trennung zwischen Ich – Selbst und der Welt. 

Traumata und Ego-States, unbewusste Persönlichkeitsantelie

Das oben beschriebene kulturelle Trauma, das zu einer von unserer Gesellschaft als normal taxierte Depersonalisation führt, ist eine „Erbsünde-artige“ Bürde jedes Menschen in unserer westlich geprägten Gesellschaft. Diese kulturkritische Beobachtung machte zum Beispiel auch Erich Fromm (siehe auch >hier) oder Arno Gruen (>hier).

Bezüglich traumatisierenden Ereignissen können wir verschiedene Formen unterschieden: 

Schocktrauma: Das Schocktrauma beschreibt ein spezifisches, datierbares, singuläres Schock-Ereignis wie einen Autounfall.

Entwicklungstrauma: Diese subtilere Form bezieht sich auf traumatisierende, sich wiederholende Muster, die Bedürfnisse zum Beispiel nach Bindung, Berührung, Anerkennung und Integrität verletzen. Oftmals datieren solche Ereignisse vor unserem Erinnerungsvermögen, können sogar vorgeburtlich sein (Pränatale Psychologie). 

Wir können an dieser Stelle vermuten, dass die Entwicklungstraumata, die mit dem oben beschriebenen kulturellen Trauma einhergehen, weit verbreitet und letztlich Ursache von vielen stressbedingten chronischen Erkrankungen sind. Es wird hier öfters auch von einer versteckten Epidemie gesprochen.

Das eigentliche Problem ist jeweils nicht das Trauma an sich, sondern die nicht abgeschlossene Trauma-Verarbeitung (psychopathologisch spricht man dann von einer Posttraumatischen Belastungsstörung). Eine Überforderungssituation für das menschliche System führt zu einer Abspaltung und Herausbildung von unbewussten Ich-Anteilen, die die Lebens-Regulation übernehmen. Diese Muster führen zu Kompensations-Verhalten, die sich in Symptomen ausdrücken wie Perfektionismus, Sucht, Aggressionsverhalten, kindliche Angepasstheit oder roboterhaftes Funktionieren, um nur einige wenige Varianten zu erwähnen. Diese Teilpersönlichkeiten können auch in der menschlichen Psyche die Oberhand gewinnen und entwickeln selbsterhaltende Überlebensstrategien, indem sie auch andere Menschen in diese Muster einbinden und sich so Bestätigung und Anerkennung suchen. Das Kernselbst wird dann zurückgedrängt und es entsteht bildlich gesehen ein chaotisches Unternehmen mit einem fehlenden Chef (Kernselbst und Ich). 

Die Dunkle Nacht der Seele

Dass uns die oben beschriebenen Persönlichkeitsanteile und Muster meist gar nicht oder kaum bewusst sind, macht die Situation für den Menschen gewissermassen erträglich. Man funktioniert einfach und hat in einer unbewussten Bescheidenheit schlicht keine Kenntnis davon, dass sich wirkliche Lebensqualität und bewusste Lebendigkeit anders anfühlt. Das Bewusstwerden der eigenen Muster hingegen führt zu einer im wahrsten Sinne des Wortes Ent-Täuschung über die eigenen Abgründe. Dadurch entsteht Scham und Ekel sich selber gegenüber. Offenbar ist das Erwachen des Menschen und die Bewusstwerdung dieser Schattenseiten zunächst ein meist böses Erwachen.

Dietmar Bittrich schreibt denn auch in einer Kolumne: „Byron Katie war fresssüchtig, alkoholsüchtig, gewalttätig und wurde dann durch den Fleischwolf des Drogenentzugs gedreht, bevor sie mitten in der stationären Therapie ihr Erwachenserlebnis hatte. Eckart Tolle lebte jahrelang ‚in einem Zustand ständiger Angstgefühle, unterbrochen von Phasen lebensmüder Depression‘, bevor er eines Morgens ‚mit einem Gefühl absoluten Grauens‘ erwachte und beschloss, sich umzubringen. Da plötzlich kam das Erwachen. („Endstation Erleuchtung: Muss das sein?“)

Gerade bei Eckhart Tolle ist das Grauen vor dem Erwachen deutlich: 

Der Schritt der Bewusstwerdung ist verbunden mit einer tiefen seelischen Krise, die mit dem Begriff der Dunklen Nacht der Seele beschrieben wird. Der Begriff geht auf den christlichen Mystiker Johannes vom Kreuz zurück und wurde von ihm in einem Gedicht geprägt, das er in einem Kloster-Kerker verfasste.

Krisen ganz allgemein bieten die Chance für ein inneres Wachstum. Das innerlich Festgefügte gerät ins Wanken, und so können auch neue Impulse integriert werden. Die Krise, mit all ihren Unannehmlichkeiten, ist demnach auch eine Chancen- und Entwicklungszeit. Die menschliche Entwicklung geschieht in der Regel nicht linear und konintuierlich, sondern sprunghaft. Es gibt Entwicklungsphasen und Konsolidierungs-Phasen, wobei wir die Entwicklungsphasen als Krise beschreiben können. Von daher ist der schlechte Ruf der Krise in unserer Gesellschaft eine sehr einseitige Sichtweise, die Potenziale und Chancen von Krisen zu wenig würdigt.  Sicherlich ist das Verlassen der sich eingerichteten Komfortzonen nicht immer angenehm. Jede Art von Wachstum ist aber mit Anstrengung und Unannehmlichkeiten verschiedenster Art verbunden. Wir wissen heute aus der Gesundheitsvorsorge, dass ein Schlaraffenland-Lebensmodus, nach dem wir in unser westlichen Welt streben, sicher nicht gesund ist. Wir wissen sehr gut, dass Gesundheit eben da entsteht, wo Bewegung, Anstrengung und Überwindung den Menschen aus einer Lethargie treibt. Genauso verhält es sich aber auch im seelischen Bereich, wo Wachstum gerade in Krisen und Schwierigkeiten entsteht. 

Es gibt verschiedene Arten von Krisen: Sinn-Krisen, spirituelle Krisen … Alle haben sie mit Verlust zu tun. Ich kann mein Handy verlieren und erlebe eine Krise. Tiefer geht es, wenn eine mir nahe stehende Person stirbt. Was aber, wenn ich mich selber verliere und alles, woran ich mich festgehalten habe an mir entschwindet? Die dunkle Nacht der Seele wird verschieden definiert, wird etwa auch mit dem Erwachen der Kundalini in Verbindung gebracht. Ich meine, es ist der leidvolle Teil der Auflösung der Identifikation mit dem Selbst und Teil des grossen Erwachens. 

Wege der Bewusstwerdung

Bevor wir uns näher mit dem Erwachen an sich befassen, möchte ich erörtern, wie Bewusstseinentwicklung passiert. 

Es gibt nach mir zwei Wege, beide drehen sich um das zentrale Element der Achtsamkeit oder Awareness.

Der östliche Weg setzt beim inneren Beobachter, dem Ich an. Über meditative Praktiken geht es darum, sich des inneren Beobachters selbst bewusst zu werden und leidbringende Bindungen mit Objekten und letztlich mit sich selber aufzulösen. Eine Übung in diesem Sinne beschreibt Sadhguru:

https://youtu.be/Sm4ZBvDqD00

Die Herausforderung dieses Weges ist es, meditative Zustände nicht nur in einem Schonraum zum Beispiel eines stillen Klosters zu erfahren, sondern einen Transfer dieses Bewusstseins in den Alltag zu schaffen. Genau da, im Alltag, soll und muss aber die Meditation ankommen und ihre Wirkung entfalten. Hilfreiche, auf westliche Bedingungen angepasste Praktiken des östlichen Weges bieten etwa Thích Nhất Hạnh oder das MBSR-Programm von John Kabat Zinn.

Der westliche Weg setzt über psychotherapeutische Verfahren bei unbewussten Mustern an, um sie aufzulösen und die wahre Identität des Menschen zu entblättern. Die Herausforderung hier besteht darin, sich wirklich in die menschlichen Untiefen zu bewegen. Dies braucht viel Standkraft und menschliche Reife. Die weit verbreitete seichte Gesprächstherapie, die bestenfalls zu Erkenntnissen führt, wie Muster entstanden sind, entfalten leider nicht die transformierende Kraft, diese aufzulösen. Seit etlichen Jahrzehnten entstehen mehr und mehr emotionszentrierte, ganzheitliche oder energetische Methoden, die in unbewusste Bereiche des Menschen wirken, wie die medizinische Hypnose, EMDR, Somatic Experiencing oder Focusing, um nur einige wenige zu nennen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie über mentale Ebenen auch emotionale und körperliche, aber auch spirituelle und energetische Ebenen mit einbeziehen.

Eine weitere Herausforderung lehrt uns die Psychotherapie-Forschung mit Untersuchungen zur Wirksamkeit von Methoden. Die therapeutische Methode ist nur ein Wirkfaktor, weit entscheidender ist der Therapeut oder die Therapeutin, die Reife des Begleiters von psychischen Transformations-Prozessen. Leider hat sich diese Erkenntnis noch weit zu wenig in Selektionskriterien von Ausbildungsstätten und Curricula von Therapie-Ausbildungen durchgesetzt. Im Gegenheil, eine zunehmende Formalisierung und Akademisierung dieses Bildungsbereiches wirken leider in die falsche Richtung. Nichts desto trotz formt das unermüdliche Suchen von beherzten Menschen in einer zum Teil groteskeren Bürokratie immer mehr hoffnungsvolle  Triebe. 

Kennzeichen der Bewusstwerdung

Der Prozess der Bewusstwerdung ist ein Weg, auf dem sich etliche Kennzeichen eines inneren Wachstums bemerkbar machen. Ich möchte hier einige Faktoren aufzählen:   

1. Vom Materialismus zu Spiritualität

Äussere Werte treten zugunsten von inneren in den Hintergrund. So geht es nicht mehr um den Ferrari in der Garage, sondern um Persönlichkeitswachstum und spirituelle Werte (vgl. Bedürfnispyramide)

2. Loslösung von sekundären Bedürfnissen

Mit Punkt eins zusammenhängend ist der Umstand, dass sekundäre, im Leben durch Sozialisierung erworbene Bedürfnisse wie Anerkennung, Leistung, Erfolg, Reichtum etc. an Wichtigkeit verlieren. 

3. Entkoppelung von primären Bedürfnissen

Bezüglich primären Bedürfnissen besteht eine Wegbewegung von Genusssüchten (Hedonismus). Es besteht immer weniger Handlungszwang, Sucht- oder Kompensations-Verhalten (Essen, um sich zu spüren, Schlafentzug, um mehr zu leisten, Sexualität, um entspannen zu können). Vielmehr geht es darum, diese Bedürfnisse wahrzunehmen und frei entscheiden zu können, was aus dem Moment heraus dran ist. Paradoxerweise entsteht in dieser Distanzierung auch ein erhöhter Genuss-Faktor: Weniger ist also mehr. Im Tantra wird dieser Aspekt kultiviert (solange es nicht um die blosse Lust-Optimierung geht). 

4. Altruismus

Mit Altruismus ist hier nicht eine Form von Selbstentwertung zugunsten anderer gemeint, sondern ein soziales Mitgefühl und eine Kooperations-Haltung anderen gegenüber. Untenstehender Film zeigt dies auf der Grundlage moderner Neurowissenschaften.

5. Aktives Geschehenlassen, Wu Wei und Flow

Es geht hier nicht um Faulheit, sondern um ein sehr präsentes, achtsames Sein. Es geht darum, sich nicht von inneren Trieben oder kurzfristigen Ideen verleiten zu lassen, sondern sich in das grosse Ganze einzukoppeln und sich aus dieser Kraft, aus diesem Flow heraus führen zu lassen. 

6. Vitalität und Lebenskraft (Chi)

Eine zunehmende Bewusstwerdung geht auch mit mehr Lebenskraft einher und dem meistern der Qi-Energie. Der Mensch veranktert sich im Hara (japanisch) oder aktiviert die Kundalini-Kraft (indisch). Karlfried Graf Dürkheim demonstriert dies in einem Interview anschaulich

7. Charakterstärke und Selbst-Kontrolle

Bewusstwerdung braucht auch ein starkes Fundament, einen starken Charakter und eine moralische Grundhaltung. Aus diesem Grund spielt die Selbst-Kontrolle in den Nebenübungen bei Rudolf Steiner eine wichtige Rolle. Auch im hinduistischen Raja-Yoga nimmt sie eine zentrale Stellung ein. Ethik und Moral sind Grundlagen vom Erwachen. 

8.  Die innere Stille erleben

Es geht darum, das diskursive, selbstbezügliche Denken und Fühlen zu überwinden und in eine innere Stille einzutauchen. 

9. Leben im Hier und Jetzt

Dieses Paradigma, ursprünlich von der Gestalttherapie postuliert, gewann in Bezug auf das Zeitwahrnehmen gerade duch das Buch „Jetzt, die Kraft der Gegenwart“ und die Bewegung rund um Eckhart Tolle enorm an Popularität. Es geht darum, Ängste und Sorgen loszulassen und in den Schutz der Gegenwart einztauchen. 

10. Gleichmut und Gelassenheit

In unserem Alltags-Bewusstsein reagieren wir oft auf das Wetter, die Nachbarn etc. Es geht beim Erwachen darum, einen inneren Gleichmut äusseren Reizen gegenüber zu entwicklen, die sprichwörliche spiegelglatte Wasserebene ohne Wallungen zu bilden. (sehe auch ‚Der Goldene Mittelweg‘)

Diese Anzeichen bilden sich heraus, wenn unbewusste Ego-Zustände aufgelöst werden, sich die Identifikation mit dem Selbst auflöst und eine Verankerung im Ich-Zustand und reinen Bewusstsein festigt.

Das grosse Erwachen 

Von bewussten Menschen wird immer wieder berichtet, dass es einen Moment des Erwachens, eine Erleuchtung gäbe (>siehe auch hier). Hier berichtet Sadhguru über sein Erwachen (weitere Geschichten des Erwachsens):  

Einige berichten darüber, dass dieses Erwachen ein plötzlicher Vorgang sei, andere meinen, es sei ein kontinuierlicher Prozess. 

Auf der Grundlage des bislang Ausgeführten sind folgende Kennzeichen der Erleuchtung festzumachen:

1. Desindentifikation mit dem Selbst und Ego-States
Ich bin weder meine Gedanken, meine Gefühle, mein Körper etc. 

2. Identifikation mit dem inneren Beobachter
Der innere Beobachter ist reines Bewusstsein, es ist nichts und alles zugleich. Ein Gefühl der Einheit und des absoluten Verankert-Seins im SEIN.

Wir alle gehen ihn, ob bewusst oder unbewusst, schnell oder langsam: Den Weg des Erwachens, der letztlich alle Menschen vereint in ihrem Ziel und Streben nach Erfüllung und Glück. Er ist nicht immer einfach, dieser Weg, der uns letztlich abverlangt, immer auch wieder Seiten loszulassen, die uns vertraut geworden sind. 

Wir meinen, dass es hilfreich ist, diesen Weg bewusst gehen zu können. In Seminaren, Coachings und Ausbildungen fördern wir inneres Wachstum und Reifung des Menschen und belgiten ihn durch oft auch schwierige Veränderungskrisen. 

Folgender Dokumentarfilm „Samadhi“ fasst den Weg des Erwachens gut zusammen:.