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Ellen J. Langer: Die Kraft der Achtsamkeit

Ellen J. Langer ist Professorin für Psychologie an der Harvard Universität. Zu Ihren Hauptgebieten gehören die Themen Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung und Altern. Ihr Bestseller ‚Counter Clockwise‘ (deutsch: ‚Die Uhr zurückdrehen? Gesund alt werden durch die heilsame Wirkung der Aufmerksamkeit‚, Junfermann Verlag) wurde in mehrere Sprachen übersetzt und verfilmt. 

Der Mensch funktioniert nach Langer in vielen Bereichen wie ein Roboter. Amüsant ist die Geschichte bei einem Einkauf von Langer: Sie hatte die Kreditkarte noch nicht unterschrieben und wurde von der Verkäuferin dazu aufgefordert, die Karte zu unterschreiben. Nach dem Kauf musste sie dann ebenfalls die Quittung unterzeichnen, wonach die Verkäuferin aus reiner Gewohnheit die beiden Unterschriften verglich. Beim Autofahren ist Gewohnheit zuweilen ein schlechter Ratgeber. Bei Umfragen zeigt sich, das Autofahrer bei eisigen Strassen die Ansicht vertreten, nur schwach auf die Bremse treten zu dürfen. Seit dem ABS ist dieses Verhaltensmuster aber nicht mehr angesagt, denn man dürfte, ja sollte herzhaft auf die Bremse treten. Die Welt ändert sich oft, aber die Gewohnheiten des Menschen bleiben nicht selten zuungunsten von uns bestehen. Dinge aus Gewohnheit zu tun, heisst auch, sie unachtsam zu tun. Die meisten physischen und psychischen Leiden des Menschen sind direkte oder indirekte Wirkungen von Unachtsamkeit. Viele Studien belegen, das Achtsamkeit viele positive Effekte hat: (zum weiterlesen unten klicken)

Negative Effekte der Unaufmerksamkeit: 

  • Vorurteile
  • Burnout
  • Unfälle
  • Stress
  • Alkoholismus
  • ADHD

Positive Effekte der Achtsamkeit: 

  • Glücksgefühl
  • Beziehungsqualität
  • Selbstwert
  • Kreativität
  • Gedächtnis-, Lern- und Aufmerksamkeit
  • Leistung und Produktivität
  • Lebensqualität und Gesundheit
  • Langlebigkeit

Achtsamkeit heisst, in der Gegenwart fokussiert zu sein und Neuigkeiten um sich herum wahrzunehmen. Es gibt immer Veränderungen, wir müssen sie nur wahrnehmen. Wir können dabei auch Routinearbeiten verrichten, aber sie sollten uns nur ein Erfahrungsfeld für unser Engagement bieten und uns nicht überwältigen. 

Unachtsamkeit heisst, dass die Vergangenheit die Gegenwart überlagert. Wir sind dann auch einseitig und nicht auf unser Umfeld bezogen. Es ist ein Auto-Piloten-Modus.   

Die Psychologie der Möglichkeiten beschäftigt sich mit diesen Phänomenen und fokussiert auf das, was sein kann, und nicht auf das, was ist. Es ist wichtig, dass wir uns nicht zu stark limitieren lassen, zum Beispiel von der Wissenschaft. Sie kann nur Aussagen machen über Wahrscheinlichkeiten, darüber, was bereits bekannt ist, aber wenn wir etwas nicht ausprobieren, können wir diese Limitierungen nicht überwinden. Vieles, was wir denken, ist nur ein Teil dessen, was möglich ist.  

Im gesundheitsbereich sind chronische Krankeiten unter diesem Aspekt interessant, weil eigentlich alles sich ständig verändert. Beispielsweise Asthma: Das Konzept der Achtsamkeit bedeutet hier, wahrzunehmen, wann Symptome sich verschimmern und was das für mein Verhalten bedeuten kann. Wir haben oft den Fokus viel zu stark auf dem Krankhaften: Jemand zum Beispiel mit einer Dyslexie, einer Leseschwäche, versteht oft 98% vom Inhalt eines Textes, warum sollen wir auf die 2% fokussieren? 

Gesundheit bedeutet mehr als die Abwesenheit von Krankheit und unsere Glaubensvorstellungen und Denkweise sind oft die unnötige Begrenzung des Möglichen. Dabei empfiehlt Langer, die Trennung von Körper und Geist aufzugeben und die beiden Aspekte als stark verbunden zu betrachten. Dazu gibt es einige Studien: 

Counterclockise-Studie von 1979: Die Studie wurde mit acht 80-jährigen durchgeführt und einer Vergleichsgruppe. Viele dieser Betagten werden heute überbehütet, was zu einer „Entfähigung“ anstatt einer Befähigung führt. Die Versuchspersonen wurden für eine Woche in ein Umfeld gebracht, wo alles aussah wie vor zwanzig Jahren: Die Zeitschriften, die Filme, die Hauseinrichtung… Die Unterschiede vorher und nach dieser einen Woche waren signifikant (vergleiche auch Artikel zum Thema: So drastisch verändern Gefühle die Alterung): 

  • grössere Beweglichkeit
  • weniger Arthritis
  • bessere Geschicklichkeit
  • besseres Sehvermögen und Hörfähigkeit
  • bessere Kraft
  • bessere Intelligenz
  • Gewichtsregulation
  • jüngeres Aussehen

Es ist interessant, wieweit unsere Vorstellung unsere Gesundheit beeinflussen kann. Wir wissen, dass Flugzeugkapitäne ein gutes Sehvermögen haben müssen. Wie ist es möglich, dass, wenn wir Menschen als Flugzeugkapitäne verkeiden und in einen Flugsimulator setzen, sie plötzlich Dinge lesen können, die sie vorher nicht lesen konnten? 

Um die Kraft der Achtsamkeit leben zu können, sollten wir lernen, Veränderung zuzulassen und nicht, sie ängstlich zu vermeiden. Und wir sollten uns bewusst sein, dass vieles zunächst im Kopf geschieht. 

Hier der Vortrag auf englisch: 

 In der Psychoneuroimmunologie lehrt man diese Zusammenhänge, die dazu führen, dass wir seelisch ein harmonischeres Leben führen sollten.