Skip to main content

Aktion und Konzentration, eine Balance mit Potential


Das Wunder von Stockholm, oder warum die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft 2013 Vizeweltmeister geworden ist, oder, was das ganze zu tun hat mit einer „Work-Concentration-Balance“

Mit hängenden Köpfen und etwas feuchten Augen gleiten die Schweizer Hockey-Cracks nach der 5:1 Klatsche der Schweden im Final der Eishockey-Weltmeisterschaften 2013 vom Eis. Der Traum vom „Kübel“, der begehrten Pokal-Trophäe, ist geplatzt. Dies lässt zwei Fragen offen: Warum hat es die Schweizer Nationalmannschaft überhaupt so weit gebracht? Und warum hat dieses Team die letzte Hürde nicht genommen? Ein Beitrag eines Nicht-Hockeyexperten aus dem Blickwinkel mentaler und kommunikativer Aspekte im Sport.

Ganz klar: Das Vorstossen der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft in den Final ist eine ganz grosse Leistung. Wie die Eisgenossen mit Intensität, Kampfgeist und Teamspirit durch das Turnier geprescht sind, war für viele eine Überraschung. Das Team verlor kein einziges Spiel bis auf den Final! Als kleines Land ohne Favoriten-Ansprüche ist hier ein ganz grosser Coup gelungen. Die talentierten und engagierten Spieler wirbelten sich mit ihrer beherzten Show in die Hockeyherzen vieler Zuschauer.

Auffällig dabei war stets eine konzentrierte Bescheidenheit mit Aussagen wie: „Mit unseren Siegen haben wir noch nichts gewonnen“, „wir nehmen Spiel für Spiel“, „um die Resultate sollen sich die Zuschauer kümmern, wir spielen Hockey“, „Jeder Gegner hier ist ein schwieriger Gegner“.Typisch, die Spieler  hatten offenbar ein klares Ziel: das Spiel um die Medaillen. Kein einziger Spieler hat dieses Ziel nach aussen kommuniziert! Irgendwie wird man dabei erinnert an die bekannte Bescheidenheit etwa eines Raphael Nadal: Man kann es bereits antizipieren, wie er vor dem Final von Roland Garros 2013 seinen Gegner Roger Federer hochstilisiert als den besten Tennisspieler aller Zeiten und ihm freundlich bescheiden die Favoritenrolle zuspielt. Wohlgemerkt, er, der bis auf sein erstes Turnier nach seinem monatelangen gesundheitsbedingten Out nach seinem Comeback alle Turniere 2013 auf Sandplatz hintereinander gewonnen hat und seine Gegner, einen nach dem anderen deklassiert und platt gewalzt hat! Nein, wie vergöttern hier keinen Nadel, der mit seiner Verbissenheit über manche Grenzen des Gesunden gegangen ist. Aber wir stellen fest, dass hier offenbar ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Sport sichtbar wird: derjenige der Bescheidenheit und Konzentration. Ich verfolge dieses Prinzip schon seit langem und finde mein Gespür mal für mal bestätigt. Als ich nach der bis zum Halbfinal sprichwörtlich stoischen Konzentriertheit des Headcoaches fasziniert Jean Simpsons breites und zufriedenes Lächeln gesehen habe, wurde ich aufmerksam. Zum ersten Mal setzte er in den Kurzinterviews des Schweizer Fernsehens den Fokus nicht mehr auf das schwierige nächste Spiel, sondern war entzückt (und das wohl nicht ganz zu Unrecht) von der Leistung seiner „Jungs“ auf dem Eis draussen gegen die US Hockey-Bastion. Als dann andere Spieler die selbe Tendenz anklingen liessen, allen voran Nino Niederreiter mit seiner saloppen Prophezeiung vor dem Finalspiel: „Und jetzt holen wir auch noch den Kübel“ ahnte ich schon, vielleicht wusste ich es gar schon, dass das Spiel gelaufen ist. Warum messe ich diesem Aspekt so viel Bedeutung bei?

Wir sprechen hier von Work-Concentration-Balance. Nein, ich habe mich nicht verschrieben, ich meine nicht Work-Life-Balance, von der ich kein Vertreter bin. Ich möchte nicht die Arbeit und das Leben trennen, denn beide gehören unzertrennlich zusammen. Das Modell der Work-Life-Balance suggeriert eine künstliche Dualität von Leben und Arbeit, die nur dann Bestand hat, wenn ich meine Arbeit nicht liebe und und Leben nur in der Freizeit, nicht aber während der Arbeit möglich ist. Dieser fatale Irrtum ist aus der Geschichte des Industrialismus nachvollziehbar, aber in der postmodernen Freizeit- und Selbstverwirklichungs-Welt fehl am Platz. Das eigentlich polare Gegensatzpaar heisst Arbeit und Konzentration, oder Kreation und Rekreation.

Der rote Bereich steht für Aktivität, die Kreation. Hier sind wir in Bewegung. Nach C.G. Jung sprechen wir hier auch vom Bereich des Extravertierten, des Lebens in der Aussenwelt.

Ihm polar entgegengesetzt ist der grüne Bereich der Rekreation, der Erholung. Es ist der Bereich des Rückzugs, der Stille und Konzentration, des Schöpfens aus der inneren Quelle, wir sprechen vom Bereich des Introvertierten, des Lebens in der Innenwelt. Im Sportbereich ist dies der mentale Bereich, der in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist. Was heute den Ausschlag macht ist nicht die Fitness, auch technisch sind viele Sportler top ausgebildet. Aber dieses kleine Quäntchen des Mentalen, der Konzentration auf das Ziel, macht oft den Unterschied. Wenn wir zum Beispiel einen Novak Djokovic als unbestrittene Nummer eins des Männertennis beobachten, können wir diesen Fokus aus seinem Gesicht ablesen: Erst der Siegesschrei am Schluss holt ihn von dieser Trance zurück, einer Trance im Sinne einer aufmerksamen Bewusstseinsfokussierung auf ein Ziel, auf den Sieg hin. Die Konzentration auf ein schwieriges Ziel nährt diese Zieltrance, die uns in ungeahnte Leistungsbereiche führen kann. Die übermässige Sicherheit der Zielerreichung löst diese Trance wieder auf und führt in eine Defokussierung.

Kraft und Leistung entstehen nicht in der ungeordneten Bewegung, auch nicht in untätiger Konzentration, sondern im Spannungsfeld von Konzentration und Aktivität, von Richtung und Tun. Es ist das richtige Ausbalancieren von frechen Offensivaktionen und bescheidener, konzentrierter Defensive. Im Alltageserleben kann uns hier die Ganzheitlich Integrative Visionsarbeit eine wichtige Orientierung sein. Im Kurs ‚Leben als Balanceakt‘ und der Ausbildung zum Visions Coach steht das dazugehörende Metamodell der Farbmatrix als methodisches Instrument im Zentrum. 

Der Verteidiger Roman Josi wurde an der Eishockey-Weltmeisterschaft zum besten Spieler des Turniers gewählt. Im Chat-Kommentar zum SRF-Artikel war dann zu lesen: „Hoffen wir nur, dass er so bescheiden, wie er war, bleibt. Erfolg bringt nämlich meist Überheblichkeit und Arroganz mit sich“. Ja, hoffen wir, das dieser talentierte Spieler dieses Spannungsfeld geschickt ausbalanciert und daraus Grosses wächst.