Veränderung unseres Selbst
Ein kritisch hoffnungsvoller Beitrag:
Kennen sie dieses Gefühl? Sie wollten sich verändern, etwas sollte weitergehen, anders sein, und nun stehen sie irgendwann kopfschüttelnd da und müssen sich einmal mehr eingestehen: „Ich habe es wieder nicht geschafft.“ Eines ist sicher: Veränderung ist oft schwerer als uns lieb ist, doch ein Grund zum aufgeben ist dies noch lange nicht, im Gegenteil!
„Panta rhei, alles fliesst“ meinte einst der griechische Philosoph Heraklit. Doch, Hand aufs Herz: Haben sie nicht öfters das Gefühl, dass das Leben oft dickflüssiger ist, als wir uns wünschen? Warum ist es so schwer, den trägen Alltag und die alten Gewohnheiten zu verändern?
Neuroplastizität des Gehirns, ein Hoffnungsschimmer für Veränderung
Prof. Lutz Jänke macht als Gehirnforscher Mut und spricht von der ,Neuroplastizität‘ des Gehirns. Das Gehirn verändert sich bis zum Tode, bis zum letzten Atemzug, dauernd. Jede Herausforderung formt unser Gehirn erneut: Bereits nach einigen Stunden, in denen wir uns etwa mit Musizieren abgeben, lässt sich nachweisen, dass sich die Gehirnaktivität durch die Veränderung von Synapsen, Nervenzellen und ganzen Hirnarealen nachhaltig verändert hat.
Gewohnheiten, der überwindbare Feind der Veränderung
Gewohnheiten bilden sich allerdings ebenso im Gehirn ab wie neue Lernprozesse, vielmehr, sie bilden neuronale Autobahnen im Vergleich zu Trampelpfaden der neuen Verhaltensweisen, meint der Neurobiologe Prof. Gerald Hüther bildhaft. Damit bestätigt die moderne Forschung, was schon im Talmud beschrieben war: „Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“ Latose, der chinesische Philosoph, meinte: „Gewohnheiten sind erst Spinnweben, dann Drähte.“
Der Feind der Veränderung scheint die Gewohnheit, scheinen unsere eingefleischten Verhaltensmuster zu sein. Aber auch Gewohnheiten sind veränderbar. Hüther hält dazu fest: „Negative Erfahrungen aus der Kindheit können im späteren Leben jederzeit durch andere, positive Erfahrungen überformt werden. ,Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben’, dieser Hinweis von Milton Erickson bringt das auf den Punkt.“ (Interview von G. Hüther mit Psychophysik). Wie können wir uns und unser Verhalten verändern? Dazu wiederum Hüther: „Einmal gebahnt, sind die (…) Reaktionen und Bewertungen lenkenden neuronalen Verschaltungsmuster im Gehirn später nur noch schwer wieder auflösbar. Damit im Gehirn neue Verschaltungen entstehen können, muss es zu einer Aktivierung der emotionalen Zentren und zu einer damit einhergehenden vermehrten Ausschüttung neuroplastischer Botenstoffe kommen.“ Es reicht demnach nicht, nur eine Absicht zu haben, sich zu verändern, es braucht als Voraussetzung einer wirksamen, tiefgreifend nachhaltigen Veränderung oft eine gewaltige Irritation, eine Krise, eine Erschütterung unseres Selbst mit seinen festgefrorenen Mustern.
Die Chancen der Krise
Nun sind Krisen ein nur allzu wohlbekannter Bestandteil unseres Lebens. Bloss: Nicht jede Krise führt zu Veränderung. Wo liegt der Schlüssel? Hier machen wir einen Sprung nach Übersee und verlassen das Gebiet der Hirnforschung: Barbara Sher, amerikanische Erfolgsbuchautorin und Erfinderin der Erfolgsteams prägte ihre markante Kernaussage: „Isolation is a dreamkiller (Isolation ist ein Traumkiller)!“ Was hat dies mit Veränderung zu tun? Die Motivation für Veränderung geht auf positive Zielzustände zurück, auf erwünschte Perspektiven, Sehnsüchte, Wunschträume und Visionen. Sie sind der Fokus unserer inneren Kraft, der uns Schub verleiht, sie sind das innere Feuer, der Burn-in-Faktor, der als Vorstellung selbst unsere Gehirnstruktur verändern kann. Und warum soll Isolation der Tod unserer Träume sein? In der Umsetzung von Herzensprojekten und Träumen kommt dem Netzwerk eine zentrale Bedeutung zu (vgl. Artikel die Kraft des Wir). Niemand erreicht etwas Grossartiges ganz alleine, hinter jedem Erfolgsträger steht immer ein intaktes, gut funktionierendes Netzwerk. Gleich ob in der Politik oder im Sport, in der Wissenschaft oder Kunst, stets zeigt sich dieser entscheidende Erfolgsfaktor.
Erfolgsfaktor Netzwerk
Ein intaktes Netzwerk, eine tragende Gruppe ist aber mehr als ein Erfolgsfaktor in Veränderungssituationen und Projekten, oft ist gerade auch das soziale Netzwerk der erlösende Auslöser einer Krise. Wer anders als unsere Weggefährten fordert uns heraus, uns stetig weiterzuentwickeln? Diese dissoziative Treiber-Kraft, gerade das Andersartige, hält uns auf der Spur: Konflikte sind dabei in Veränderungsprozessen paradoxerweise oft eine wichtige Erlöserkraft, die unsere Haltung schärft und uns zu Höchstleistungen auflaufen lässt.
Genau diese Kraft nutzt auch das Visions Haus Ringgenberg mit seinen interaktiven, selbstverantwortlichen Lernprozessen (siehe Visions- und Projektwerkstatt). Es geht hier nicht um Wissenstransfer, sondern um Veränderung nach dem Prinzip Fördern und Fordern von anderen Kursteilnehmenden. In diesen Prozessen stehen nicht wie so oft in Kursen Erkenntnisprozesse im Vordergrund, sondern der Mensch selbst, denn hier ist der Dreh- und Angelpunkt der Veränderung. Oder wie sagte es dereinst Laotse so treffend: „Wenn du die Welt verändern willst,
beginne mit dem Menschen, den du jeden Morgen im Spiegel siehst.“ Auch dies unter dem Titel ‚Erfolgsfaktor Netzwerk‘ ein Paradox, aber vielleicht kommen wir zum Thema Veränderung um Paradoxe nicht herum…