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Visionäres Schulprojekt


Ein Interview mit Martin Bertsch und den Schulleitenden der Delta-Schule in Zürich

Z.: Herr Bertsch, Sie haben als Visions Coach einen Teamentwicklungsprozess in der Deltaschule durchgeführt: Was war Ihnen wichtig?

Martin Bertsch: Viele Lehrerinnen haben es satt, von oben her vorgeschrieben zu bekommen, was sie in der Schulstube zu tun haben. Viele haben eigene Ideen und Bedürfnisse, die in hierarchischen Strukturen oft auf der Strecke bleiben. Mir war es wichtig, hier anzusetzen. Die Lehrerinnen und Lehrer sollten selber ihre eigene pädagogische Schulvision entwickeln und daraus konkrete Projekte ableiten. Diese Freiheit bringt aber auch Selbstverantwortung mit sich: Man kann niemandem die Schuld für schlechte Projektideen in die Schuhe schieben. Und die Lehrerinnen und Lehrer sind maximal motiviert ihre Ziele umzusetzen, weil sie sich die Ziele selber gesteckt haben.

Z.: Was ist ein Erfolgsteam und wie wirkt es in einem Lehrerteam?

Martin Bertsch: Das Erfolgsteam beinhaltet ein strukturierter Projekt-Management-Prozess in einem Kleinteam von vier bis sechs Personen. Die Projektmitglieder unterstützen sich gegenseitig durch Feedbacks und kreative Ideen zur Zielfindung und Problemlösung.

Z.: Hanspeter und Esther Diboky: Was ist die Deltaschule?

Hanspeter Diboky: Wir sind eine Privatschule. Ziel unserer Schule ist es, die Schülerinnen und Schüler in Bewegung zu bringen, in die Lebendigkeit zu führen. Wir möchten Lehrpersonen anregen, über Eigeninitiative und einen lebendigen Unterricht die Lernmotivation unserer Schüler zu fördern.

Z.: Was hat Sie bewogen, einen visionären Prozess auf der Ebene der LehrerInnen zu initiieren? Was waren die Probleme?

Esther Diboky: Wir haben gespürt, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer stark mit Alltagsproblemen beschäftigt waren und manchmal diese Extraenergie fehlte, eine Begeisterung, die dann letztlich auf die Schüler überspringen kann. Als Privatschule haben wir diesbezüglich hohe Ansprüche…
Hanspeter Diboky: Die Schulleitung musste viele Probleme lösen, die auch die Wirtschaftlichkeit der Schule betrafen. Durch ein aktives Lehrerteam können diese besser in Angriff genommen werden.

Z.: Weshalb haben Sie sich entschlossen, ein Erfolgsteam-Projekt durchzuführen?

Hanspeter Diboky: Wir kannten den visionären Ansatz aus den Visions Tagungen, und wir kannten Martin Bertsch. Der pragmatische, wirkungsorientierte Ansatz schien uns ideal zu sein, um unsere Lehrerinnen und Lehrer zu ermutigen, neue Wege zu gehen und dann nicht nur schöne Ideen zu produzieren, sondern auch tatsächlich in der Realität etwas zu verändern, ganz konkret Dinge umzusetzen, wofür sie intrinsisch motiviert sind. Mir gefällt der selbstverantwortliche Arbeitsstil der Teams: Alle bringen eine Frage, ein Anliegen in die Runde und wählen unter den Lösungsvorschlägen den Weg, der Ihnen als Experten am besten erscheint.
Esther Diboky: Lehrer sind oft etwas Eigenbrötler. Wir wollten den Zusammenhalt stärken durch einen Ansatz der Nähe schafft, aber durch die Verbindlichkeit auch sehr wirkungsorientiert ist.

Z.: Wie haben Sie den Einstieg erlebt?

Esther Diboky: Der Einstieg war sehr belebend. Es war toll, die eigenen Visionen aus der Tiefe zu heben. Das Teilen der Visionen hat auch viel Nähe im Team geschaffen. Die Lehrerinnen und Lehrer spürten, dass sie nicht alleine dastehen, dass auch andere etwas bewegen möchten.
Hanspeter Doboky: Die Teamsitzungen nach der Kickoff-Sitzung sind sehr unterschiedlich verlaufen. Alle haben es sehr geschätzt, dass man sich über ihre Probleme austauschen kann und wohlwollend unterstützt wird. Es zeigte sich, dass die Teams mit einer straffen Moderation mehr Nutzen aus den Sitzungen zogen als andere mit einer etwas lockereren Führung.

Z.: Herr Bertsch, woran liegt das?

Martin Bertsch: Es zeigt sich, dass die intuitiv-kreative Arbeit ein hochkonzentrierter Prozess ist, der eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre voraussetzt. Nur so kann ein kreativer Flow entstehen, der es ermöglicht, auf die Lösungsebene zu kommen.

Z.: Was hat sich während des Projektes verändert?

Esther Diboky: Es hat sich schnell gezeigt, dass das Projekt sich sehr positiv auf die Stimmung ausgewirkt hat. Die Ermutigung aus den Teams heraus hat viel bewegt.
Hans Diboky: Es entstanden viele Projekte aus den Teams, die Schulzimmer- und Garten-Gestaltung, eine Projektwoche. Die Lehrerinnen und Lehrer konnten auch Alltagsprobleme miteinander auf konstruktive, lösungsorientierte Art und Weise klären. Das hat viel konkreten Nutzen erzeugt. Erfreulicherweise hat sich auch die Schülerzahl wieder erhöht. Wir glauben, dass die positive Dynamik sich auf verschiedenen Ebenen zeigt.
Martin Bertsch: Wir konnten mit standardisierten Umfragen feststellen, dass sich die Befindlichkeit der Lehrerinnen und Lehrer verbessert hat. Die emotionale Bindung war schon von Beginn weg hoch, aber die Lehrerinnen und Lehrer fühlten sich wohler. Das war auch für die Schulleitung spürbar.

Z.: Wo sehen Sie den Nutzen für visionäre Prozesse in der Schule?

Martin Bertsch: Viele Lehrer sind ausgelaugt. Burnout ist ein grosses Thema. Aber wir müssen auch anerkennen, dass die Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer heute enorm sind: Permanenter Veränderungsdruck, Fordernde Eltern und schwierige Kinder… Wer keine Visionen hat in dieser herausfordernden Lage hält nicht lange durch. Es liegt heute nicht mehr drin, als Lehrer ein Programm abzuspulen. Wenn die Kinder keine Begeisterung, kein inneres Feuer bei den Lehrpersonen spüren, wird es unerträglich. Die Kinder brauchen das Gefühl, dass die Lehrpersonen authentisch sind und aus einer Überzeugung heraus unterrichten. Paradoxerweise ist es aber schwierig, sich selbst zu sein ohne Team-Support. Es ist oft für Lehrerpersonen erlösend zu spüren, dass Kolleginnen und Kollegen hinter einem stehen. Diesen Effekt in dieser Intensität kann man nur in Kleinteams, in Erfolgsteams, die etwas verstehen von Wertschätzung, Lösungsorientierung und einer wirkungsvollen kreativen Zusammenarbeit.
Hanspeter und Esther Diboky: Wir können das bestätigen. Wir möchten das Projekt weiterführen und aus den gemachten Erfahrungen heraus die Rahmenbedingungen optimieren. Das Projekt zeigt einen erstaunlich hohen Nutzen im Vergleich zum Aufwand, den wir dafür betrieben haben.